Drittes Kapitel
DAS WESEN BUDDHAS
I
DER MENSCHLICHE GEIST
l. Die Welt ist wie ein Lotosteich, der mit vielen verschiedenen Pflanzenarten bewachsen ist. Es gibt Blüten mit vielen verschiedenen Farbtönen. Einige sind weiß, einige rosa, einige blau, einige gelb; einige wachsen unter dem Wasser, einige breiten ihre Blätter auf dem Wasser aus, und einige heben ihre Blätter übers Wasser empor. Die Menschheit weist noch viel mehr Verschiedenartigkeit auf. Es gibt Unterschiede im Geschlecht, aber das Geschlecht ist kein wesentlicher Unterschied, denn durch richtiges Training können Frauen die Erleuchtung genauso erreichen wie Männer. Unter den Menschen gibt es viele Arten und Grade der Mentalität: Einige sind weise, einige sind dumm, einige sind gutmütig, einige sind launisch, einige sind leicht zu führen, einige sind schwer zu führen, einige besitzen einen reinen Geist und einige haben einen Geist, der befleckt ist. Aber diese Unter schiede sind unbedeutend, wenn der Geist zur Erleuchtung gelangt.
Um ein Trainer von Elefanten zu sein, muß man fünf Qualifikationen besitzen: Gesundheit, Vertrauen, Fleiß, Aufrichtigkeit im Vorsatz und Weisheit. Um Buddhas Edlem Pfad zur Erleuchtung zu folgen, muß man die selben fünf guten Qualitäten haben. Wenn man diese Qualitäten hat, dann ist es, ungeachtet des Geschlechts, möglich, die Erleuchtung zu erlangen. Es braucht nicht lange zu dauern, bis man die Lehre Buddhas verstanden hat, denn alle Menschen besitzen ein Wesen, das eine Affinität zur Erleuchtung hat.
2. In der Praxis sehen die Menschen, die auf dem Pfade zur Erleuchtung wandeln, Buddha mit ihren eigenen Augen und vertrauen auf ihn mit ihren eigenen Sinnen. Die Augen, die Buddha sehen und der Geist, der Buddha vertraut, sind dieselben Augen und derselbe Geist, die bis zu jenem Tage in der Welt des Leidens umhergewandert sind.
Wenn ein König von Banditen belästigt wird, muß er herausfinden, wo ihr Lager ist, bevor er sie angreift. Deshalb sollte ein Mann, wenn er von irdischen Leidenschaften bedrängt wird, sich zuerst ihres Ursprungs vergewissern.
Wenn ein Mensch sich in einem Haus aufhält und seine Augen öffnet, wird er zuerst das Innere des Raumes bemerken und erst später von dem Fenster aus die Aussicht sehen. In gleicher Weise können wir uns nicht Augen vorstellen, die zuerst die Dinge, die draußen sind, bemerken, und erst dann die Dinge im Haus erkennen.
Wenn es einen Geist im Körper gibt, sollte er zuerst die Dinge des Körpers kennen, aber im allgemeinen sind die Menschen an äußerlichen Dingen interessiert und scheinen die Dinge im Körper wenig zu kennen und sich wenig um sie zu kümmern.
Wenn der Geist sich außerhalb des Körpers befände, wie könnte er dann mit den Bedürfnissen des Körpers in Berührung bleiben? Tatsächlich aber fühlt der Körper, was der Geist erkennt, und der Geist weiß, was der Körper fühlt. Deshalb kann man nicht sagen, daß der menschliche Geist sich außerhalb des Körpers befindet oder vom Körper unabhängig ist. Wo existiert nun aber der Geist?
3. Seit unbekannter Vergangenheit sind die Menschen in Unwissenheit umhergewandert, bedingt durch ihre eigenen Taten und verblendet durch zwei grundlegende Mißverständnisse.
Zuerst glaubten sie, daß der kritische Geist, der an der Wurzel dieses Lebens von Geburt und Tode liegt, ihr wirkliches Wesen sei. Zweitens wußten sie nicht, daß sie, verborgen hinter dem unterscheidenden Geist, einen reinen Geist der Erleuchtung besaßen, der ihr wahres Wesen ist.
Wenn ein Mensch seine Faust schließt und seinen Arm hebt, so sieht dies das Auge, und der Geist unterscheidet es, aber der Geist, der es unterscheidet, ist nicht der wahre Geist.
Der unterscheidende Geist dient nur zur Unterscheidung von eingebildeten Unterschieden, die Habgier und andere Launen, welche in Beziehung zum "Selbst" stehen, geschaffen haben. Der unterscheidende Geist ist abhängig von Ursachen und Wirkungen, ist ohne Eigensubstanz, und ändert sich fortdauernd. Aber da die Menschen glauben, daß dieser Geist ihr wirklicher Geist sei, tritt die Verblendung in die Ursachen und Wirkungen ein, welche das Leiden schaffen.
Der Mensch öffnet seine Hand, und der Geist nimmt dies wahr. Aber was bewegt sich? Ist es der Geist, oder ist es die Hand? Oder weder noch? Wenn sich die Hand bewegt, dann bewegt sich der Geist entsprechend, und umgekehrt, aber der sich bewegende Geist ist nur eine oberflächliche Erscheinung des Geistes, es ist nicht der wahre und grundlegende Geist.
4. Im Grunde hat jeder einen reinen und klaren Geist, aber dieser ist gewöhnlich von der Verunreinigung und dem Schmutz der irdischen Wünsche überdeckt, die aus den Umständen entstanden sind. Diese irdischen Wünsche entstehen nicht aus dem Geist unseres Wesens; sie sind etwas Zusätzliches, wie Eindringlinge oder Gäste in einem Haus, aber nicht ihr Gastgeber.
Der Mond ist oft hinter Wolken verborgen, aber seine Reinheit bleibt ungetrübt. Deshalb dürfen die Menschen nicht zu dem Denken verleitet werden, daß diese irdischen Wünsche, die Wünsche ihres eigenen wahren Geistes sind.
Sie müssen sich fortdauernd an diese Tatsache erinnern, indem sie fortwährend den reinen und unveränderlichen, grundlegenden Geist der Erleuchtung in sich wachrufen. Dadurch, daß sie von sich ändernden irdischen Wünschen gefangengenommen und durch ihre eigenen verdrehten Vorstellungen irregeführt werden, irren sie in einer Welt der Verblendung umher.
Die Unruhen und Befleckungen des menschlichen Geistes werden sowohl durch Habgier als auch durch seine Reaktionen auf die sich ändernden Umstände hervorgerufen.
Wenn der Geist nicht nach den Dingen, so wie sie kommen, greift und sich an sie klammert, wird es keinen unruhigen und befleckten Geist geben. Der Geist, der durch die Dinge, die sich gerade ereignen, nicht verwirrt wird, der unter allen Umständen rein und ruhig bleibt, ist der wahre Geist und sollte der Meister sein.
Wir können nicht sagen, daß ein Gasthaus Verschwindet, nur weil der Gast außer Sichtweite ist, noch können wir sagen, daß das wahre Ich verschwunden ist, nur weil der unreine Geist, der durch die veränderlichen Lebensumstände erregt wird, verschwunden ist. Der menschliche Geist ist mit seiner Last aus falschen Vorstellungen und seinen Fesseln der Bindung, die sich mit den sich ändernden Bedingungen verändern, nicht die grundlegende und wahre Natur des menschlichen Geistes.
5. Denken wir an einen Hörsaal, der hell ist, während die Sonne scheint, aber dunkel ist, nachdem die Sonne untergegangen ist.
Wir können an das Licht denken, das mit der Sonne verscheidet und an das Dunkel, das mit der Nacht kommt, aber wir können nicht auf die gleiche Weise an den Geist denken, der Helligkeit und Dunkelheit wahr nimmt. Wem gehören Helligkeit und Dunkelheit, daß wir sie wie an ihren Besitzer zurückgeben können? Der Geist, der für Helligkeit und Dunkelheit empfänglich ist, kann niemandem zurückgegeben werden. Er kann nur zu seinem wahren Wesen, das die grundlegende Natur de: menschlichen Geistes ist, zurückkehren.
Es ist nur ein vergänglicher Geist, der momentweise Veränderung von Licht und Dunkel wahrnimmt, nachdem ob die Sonne auf oder untergeht.
Es ist nur ein vergänglicher Geist, der von Augenblick zu Augenblick, mit den.sich ändernden Lebensumständen , verschiedene Gefühle hat; er ist nicht der wirkliche und wahre Geist. Der grundlegende und wahrt Geist, der die Helligkeit und die Dunkelheit verwirklicht ist das allumfassende Wesen des Geistes.
Die vergänglichen Gefühle von Gut und Böse, Liebe und Haß, die durch sich verändernde Umweltbedingung hervorgerufen werden, sind nur momentane Reaktionen die ihre Ursache in der Befleckung haben, welche sich durch den menschlichen Geist angesammelt hat.
Hinter den Wünschen und irdischen Leidenschaften die der Geist unterhält, bleibt, klar und unbefleckt, da grundlegende Wesen des Geistes.
Das Wasser ist in einem runden Behälter eine runde Form, in einem viereckigen eine viereckige, aber Wasser selbst hat keine besondere Form. Die Menschen Vergessen oft diese Tatsache.
Die Menschen sehen dieses und jenes, sie mögen dieses und jenes nicht, sie unterscheiden Existenz von Nichtexistenz; und nachdem sie in diese Verwicklungen eingefangen wurden und sich an sie klammern, leiden sie.
Wenn Menschen nur ihre Bindungen an diese ein gebildeten und falschen Unterscheidungen aufgeben und die Reinheit ihres grundlegenden Geistes wiederherstellen würden, dann würden sowohl ihr wahrer Geist als auch ihr Körper frei von Leidenschaft und Leiden, und sie würden die Friedfertigkeit kennen, die mit jener Freiheit einher geht.
Il DAS WESEN BUDDHAS
1. Wir haben von dem reinen und wahren Geist als dem grundlegenden gesprochen; er ist auch der Samen der Erleuchtung.
Man kann Feuer entfachen, indem man eine Linse zwischen die Sonne und eine Moxapflanze hält. Woher kommt das Feuer? Von der Linse bis zur Sonne besteht ein riesiger Abstand. Augenscheinlich gibt es keine Verbindung, aber das Feuer brennt gewiß auf der Moxapflanze. Wenn die Moxapflanze etwas wäre, das sich nicht entzünden ließe, würde es kein Feuer geben.
In gleicher Weise wird, wenn sich das Licht von Buddhas Weisheit im menschlichen Geist konzentriert, sein wahres Wesen, das Erleuchtung ist, entzündet wer den, und sein Licht wird den Geist anderer Menschen durch seine Helligkeit erleuchten und Vertrauen auf den Buddha wecken. Aufgrund der Gnade und des Mitleids Buddhas hält er die Linse der Wahrheit vor jeden menschlichen Geist, so daß ihr Vertrauen entzündet werden kann.
2. Oft beachten die Menschen die Verwandtschaft ihres wahren Geistes mit Buddhas erleuchteter Weisheit nicht und werden deshalb von der Verwicklung irdischer Leidenschaften gefangengenommen, klammern sich an die Unterscheidung von Gut und Böse und klagen aufgrund ihrer Knechtschaft und ihres Leidens.
Warum sollten Menschen, die diesen grundlegenden und wahren Geist besitzen, falschen Vorstellungen an hängen, und sich damit verurteilen, in einer Welt der Verblendung und des Leidens umherzuirren, während alles um sie herum vom Licht der Weisheit Buddhas erleuchtet wird?
Eines Tages sah ein Mann auf die Rückseite eines Spiegels und wurde wahnsinnig, weil er sein Gesicht und seinen Kopf nicht sah. Wie unnötig ist es für einen Menschen, wahnsinnig zu werden, nur weil er unbedacht auf die Rückseite eines Spiegels sieht!
Aber es ist genauso dumm und unnötig für jemanden, weiter zu leiden, weil er die Erleuchtung dort nicht erreicht, wo er sie zu finden glaubt. Es gibt kein Scheitern bei der Suche nach Erleuchtung. Das Versagen liegt bei jenen Menschen, die während einer langen Zeit erfolglos die Erleuchtung gesucht haben, indem sie sich nicht klarmachten, daß ihr Geist nicht der wahre, sondern der eingebildete Geist ist. Er ist durch die Ansammlung von Begierden und Einbildungen verursacht worden, welche ihren wahren Geist überlagern und verstecken.
Wenn die Ansammlung von falschen Vorstellungen weggeräumt ist, wird die Erleuchtung möglich sein. Aber, so seltsam es ist, wenn Menschen die Erleuchtung erlangt haben, werden sie begreifen, daß es ohne falsche Vorstellungen keine Erleuchtung geben kann.
3. Das Wesen Buddhas ist nicht etwas, das zu einem Ende kommt. Obwohl böse Menschen als Tiere oder hungrige Dämonen geboren werden oder in die Hölle fallen sollten, können sie ihr Buddhawesen nicht verlieren.
Sosehr die menschliche Verwandtschaft mit Buddha in der Leidenschaft des Körpers verborgen oder an der Wurzel der irdischen Wünsche vergraben und vergessen sein mag, wird sie doch nie völlig ausgelöscht werden können.
4. Es gibt eine alte Geschichte, die von einem Mann erzählt, der betrunken in den Schlaf fiel. Sein Freund blieb bei ihm so lange er konnte, aber da er gezwungen war, zu gehen und da er dachte, man könne ihn brauchen, versteckte der Freund einen Juwel in dem Gewand des betrunkenen Mannes. Als der Betrunkene sich erholt hatte und nicht wußte, daß sein Freund einen Juwel in seinem Gewand versteckt hatte, wanderte er in Armut und Hunger umher. Lange Zeit später trafen sich die beiden Männer wieder, und der Freund erzählte dem armen Mann von dem Juwel und riet ihm, ihn zu suchen.
Wie der betrunkene Mann irren die Menschen umher und leiden in diesem Leben der Geburt und des Todes, unbewußt verborgen in ihrem inneren Wesen, rein und makellos, ist der unbezahlbare Schatz des Buddhawesens.
Wie unbewußt den Menschen auch die Tatsache sein mag, daß jeder dieses höchste Wesen in seinem Besitz hat, und wie erniedrigt und unwissend sie auch sein mögen, verliert Buddha nie den Glauben an sie, weil er weiß, daß im ureigensten Wesen von ihnen potentiell alle Tugenden eines Buddhas enthalten sind.
Deshalb predigt ihnen Buddha den Dharma, erweckt Vertrauen in ihnen, führt sie von ihren Hirngespinsten weg und lehrt sie, daß es keinen Unterschied zwischen ihnen und Buddha gibt.
5. Buddha ist einer, der die Erleuchtung erreicht hat, und die Menschen sind die, die fähig sind, die Erleuchtung zu erreichen. Das ist der ganze Unterschied, der zwischen ihnen besteht.
Wenn ein Mensch glaubt, er sei zur Erleuchtung gelangt, so täuscht er sich, denn, obwohl er sich in diese Richtung bewegen mag, hat er die Erleuchtung noch nicht erreicht.
Das Buddhawesen erscheint nicht ohne fleißige und ehrliche Anstrengung, noch ist die Aufgabe beendet, bis Erleuchtung erscheint.
6. Es gab einmal einen
König, der sammelte einige Blinde um einen Elefanten und bat
sie, ihm zu erzählen, wie ein Elefant aussähe. Der erste Mann
berührte einen Stoßzahn und sagte, ein Elefant sähe aus wie
eine Riesenkarotte. Ein anderer berührte. zufällig dessen Ohr
und sagte, er sähe aus wie ein großer Fächer; ein anderer
berührte dessen Rüssel und sagte, er sähe aus wie eine
Mörserkeule. Noch ein anderer, der zufällig dessen Bein
berührte, sagte, der Elefant sähe aus wie ein Mörser. Wieder
ein anderer, der nach dessen Schwanz griff, sagte, er sähe aus
wie ein Seil. Nicht einer von ihnen konnte dem König die
wirkliche Gestalt des Elefanten beschreiben.In gleicher Weise
könnte man hundert Männer bitten, das Wesen des Menschen zu
beschreiben, und nicht einer von ihnen wäre fähig, die wahre
Natur des menschlichen Wesens aufzuzeigen.
Es gibt nur einen
möglichen Weg, durch den das wahre Wesen des Menschen, das
Wesen, das nicht durch irdische Wünsche gestört oder durch den
Tod zerstört werden kann, verwirklicht werden kann, und das
geschieht durch die Begehung des Edlen Pfad Buddhas und durch
jene, die ihn ausüben.
III DAS BUDDHAWESEN UND DIE SELBSTLOSIGKEIT
1. Wir haben von dem Buddhawesen gesprochen, als ob es etwas sei, das beschrieben werden könnte, als ob es der universalen Seele anderer Lehren ähneln würde, aber dem ist nicht so.
Das Konzept einer Ich-Persönlichkeit ist etwas, das sich ein kluger Geist vorgestellt hat, der zunächst nach dieser Vorstellung gegriffen und sich dann daran festgeklammert hat. Diese Konzeption muß aber aufgegeben werden, wenn man die Erleuchtung verwirklichen will. Im Gegensatz zu dieser Vorstellung ist das Buddhawesen etwas Unbeschreibbares, das zuerst entdeckt werden muß, bevor es verwirklicht werden kann. Mit einem Satz: Es ähnelt einer Ich-Persönlichkeit, ist aber nicht das Ich im Sinne von "Ich bin" und "Mein."
An die Existenz eines Ichs zu glauben, ist ein Irrglaube, der annimmt, daß die Nichtexistenz Existenz ist. Ein universelles Wesen zu verneinen ist falsch, denn dann nimmt man an, daß Existenz Nichtexistenz ist.
Dies kann durch eine Parabel erläutert werden: Eine Mutter brachte ihr krankes Kind zu einem Arzt. Der Arzt gab dem Kind eine Arznei und wies die Mutter an, das Kind so lange nicht zu stillen, bis die Arznei verdaut sei..
Die Mutter hatte nicht das Herz dazu, das Kind zurückzuweisen, wenn es versuchte, an ihrer Brust zu saugen. Deshalb salbte sie ihre Brust mit etwas Bitterem ein, damit sich das Kind aus eigenem Willen von ihr fernhalte. Nachdem die Arznei lange Zeit genug verdaut worden war, reinigte die Mutter ihre Brust und ließ das Kind daran saugen. Aus Herzensgüte wählte die Mutter diese Methode, um ihr Kind, das sie liebte, zu retten.
Wie die Mutter in dieser Parabel, verneint Buddha die Existenz eines Egos, um Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen und Bindungen an eine Ich-Persönlichkeit zu lösen. Und wenn diese Mißverständnisse und Bindungen aus dem Wege geräumt sind, dann erklärt er die Wirklichkeit des wahren Geistes, der das Buddhawesen ist.
Die Hingabe an eine Ich-Persönlichkeit führt die Menschen zur Selbsttäuschung, aber der Glaube an ihre Buddha-Natur führt sie zur Erleuchtung.
Es ist wie mit der Frau in einer Geschichte, die eine Truhe geerbt hatte. Da sie nicht wußte, daß die Truhe Gold enthielt, lebte sie weiter in Armut, bis eine andere Person sie öffnete und ihr das Gold zeigte. Genauso öffnet Buddha den Geist der Menschen und zeigt ihnen die Reinheit ihrer Buddha-Natur.
2. Wenn jeder dieses Buddhawesen besitzt, warum bereiten sich die Menschen so viele Leiden, indem sie einander betrügen oder töten? Und warum gibt es so viele Standes- und Vermögensunterschiede zwischen Arm und Reich?
Es gibt die Geschichte eines Ringkämpfers, der die Angewohnheit hatte, auf seiner Stirn einen kostbaren Stein als Zierde zu tragen. Einmal drückte sich während eines Ringkampfes der Stein tief in seine Stirn ein. Er dachte, er hätte den Edelstein verloren und ging zu einem Chirurgen, um sich die Wunde verbinden zu lassen. Als der Chirurg die Wunde verbinden wollte, fand er den Edelstein im Fleisch eingebettet und mit Blut und Schmutz bedeckt. Er hielt einen Spiegel hoch und zeigte dem Ringer den Stein.
Das Buddhawesen ist wie der kostbare Stein in dieser Geschichte: Es wird bedeckt von dem Schmutz und dem Staub anderer Interessen, und die Menschen glauben, sie haben es verloren. Aber nach vielen Jahren bringt ihnen oft .ein guter Lehrer dieses Buddhawesen wieder ins Bewußtsein zurück.
Das Buddhawesen existiert in jedem Menschen, unabhängig davon, wie tief es von Habgier, Zorn und Torheit bedeckt, oder durch dessen Taten und ihre Vergeltung begraben sein mag. Aber es kann nicht verloren gehen oder zerstört werden: Wenn alle Unreinheiten entfernt sind, wird das Buddhawesen früher oder später wieder erscheinen.
Wie dem Ringkämpfer in der Geschichte, mit Hilfe eines Spiegels der Edelstein, der in sein Fleisch und Blut vergraben war, gezeigt wurde, so wird den Menschen mit Hilfe der Erleuchtung Buddhas ihr Buddhawesen, das unter ihren irdischen Wünschen und Leidenschaften verborgen ist, vor Augen geführt.
3. Das Buddhawesen ist immer rein und ruhig, gleich gültig, wie verschieden die Temperamente und Umgebung der Menschen auch sein mögen. So wie Milch immer weiß ist, ungeachtet der Hautfarbe, welche die Kuh hat, ist es unerheblich, wie verschieden die Taten das Leben eines Menschen formen, oder welche unterschiedlichen Wirkungen auf die Taten und Gedanken einer Person folgen mögen. Das Buddhawesen ist immer rein und immer dasselbe.
Es gibt eine indische Legende von einem geheimnisvollen Heilkraut, das im hohen Gras des Himalajas versteckt wuchs. Lange Zeit suchten die Menschen vergeblich danach, aber schließlich machte es ein weiser Mann wegen seiner Süße ausfindig. Solange der Weise lebte, sammelte er diese Arznei in einem Behälter. Aber nach seinem Tode blieb das süße Elixier in einer weit abgelegenen Quelle in den Bergen verborgen, und das Wasser in dem Behälter wurde sauer und schädlich und hatte unterschiedlichen Geschmack für jeden, der es versuchte.
In gleicher Weise liegt das Buddhawesen unter dem wilden Wachstum der irdischen Leidenschaften verborgen und kann kaum entdeckt werden. Aber Buddha fand es und offenbarte es den Menschen, und da sie dieses Wesen ihren verschiedenartigen Fähigkeiten entsprechend er halten, zeigt es sich jedem anders.
4. Der Diamant ist die härteste unter den bekannten Substanzen. Sand und Steine können zu Pulver gerieben werden, aber Diamanten bleiben ohne einen Kratzer erhalten. Das Buddhawesen ist mit dem Diamanten vergleichbar.
Das menschliche Wesen, sein Körper und sein Geist, werden sich abnutzen, aber das Wesen des Buddha kann nicht zerstört werden.
Das Buddhawesen ist tatsächlich das vortrefflichste Merkmal der menschlichen Natur. Buddha lehrt, daß es keine Unterschiede im Buddhawesen gibt, obgleich es unendlich viele Arten von menschlichen Weisen gibt wie z.B. Männer und Frauen.
Reines Gold wird hergestellt, indem Erz geschmolzen und alle unreinen Substanzen entfernt werden. Wenn die Menschen das Erz ihres Geistes schmelzen und alle Unreinheiten der irdischen Leidenschaft und des Egoismus entfernen, werden sie alle dasselbe reine Buddhawesen wiedererlangen.