Viertes Kapitel
IRDISCHE LEIDENSCHAFTEN
I
DIE MENSCHLICHE NATUR
1. Es gibt zwei Arten von irdischen Leidenschaften, welche die Reinheit des Buddhawesens beflecken und bedecken.
Die erste ist die Leidenschaft der Analyse und Diskussion, durch die die Menschen in ihrem Urteil verwirrt werden. Sie kann die Verblendung des Wartens genannt werden. Die zweite ist die Leidenschaft für emotionale Erfahrung, durch die die Werte der Menschen verwirrt werden. Dies kann die Verblendung der Lebenserfahrung genannt werden.
Sowohl die Verblendung des Urteilens als auch die Verblendung der Lebenserfahrung erscheinen zunächst als fundamental, aber in Wirklichkeit gibt es zwei andere irdische Leidenschaften, die grundlegender sind. Die erste ist die Unwissenheit, die zweite ist die Begierde.
Die Verblendung des Urteilens basiert auf Unwissenheit, und die Verblendung der Lebenserfahrung basiert auf der Begierde, so daß die beiden Paare irdischer Leidenschaften in Wirklichkeit nur ein Paar sind, das den Ursprung allen Unglücks bildet.
Wenn Leute unwissend sind, können sie nicht genau und sicher urteilen. Sobald die Menschen einem Wunsch nachgeben, werden unvermeidlich Habsüchtigkeit, Anhänglichkeit und Bindung folgen. Es ist das beständige Greifen nach jedem angenehmen Ding, das man sieht und hört und das die Menschen in die Verblandungen der Gewohnheit führt. Manche Menschen geben sogar dem Wunsch nach dem Tod des Körpers nach.
In diesen primären Quellen haben all die irdischen Leidenschaften wie Habgier, Zorn, Torheit, Mißverstehen und die Betörungen des Egoismus, des Stolzes, des Betrugs, der Eifersucht, der Schmeichelei, der Verachtung , der Trunkenheit und der Ichbezogenheit ihren Ursprung und ihre Erscheinung.
2. Die Habgier entsteht aus falschen Vorstellungen von wahrer Zufriedenheit. Der Zorn entsteht aus falschen Vorstellungen, was den unbefriedigenden Stand der eigenen Angelegenheiten und Umgebung betrifft. Die Torheit entsteht aus falschen Vorstellungen von dem, was korrektes Benehmen ist, Mißverständnisse entstehen aus falschen Vorstellungen, die falschen Lehren folgen.
Diese drei Übel - Habgier, Haß und Verblendung werden die drei Feuer der Welt genannt. Das Feuer der Habgier verschluckt jene, die ihren wahren Geist durch die Habgier verloren haben. Das Feuer des Zorns Verschluckt jene, die ihren wahren Geist durch den Zorn verloren haben. Das Feuer der Torheit verschluckt jene, die ihren wahren Geist durch das Versagen, die Lehren Buddhas zu hören und zu beachten, verloren haben.
In der Tat wird diese Welt in ihren zahlreichen und mannigfaltigen Flammen verbrennen. Es gibt Flammen der Habgier, Flammen des Zorns, Flammen der Torheit, Flammen der Mißverständnisse, Flammen der Betörung und des Egoismus. Flammen der Altersschwäche, Krankheit und des Todes, Flammen der Sorge, der Wehklage, des Leidens und der Qual. Überall wüten diese Feuer. Diese Feuer der irdischen Leidenschaften verbrennen nicht nur das Ich, sondern sie verursachen auch, daß andere leiden und zu falschen Taten verleitet werden, die der Körper, die Lippen und der Geist dann ausführen. Aus diesen Wunden, die durch diese Feuer verursacht werden, fließt Eiter, der diejenigen ansteckt, vergiftet und auf böse Pfade führt, die ihn berühren.
3. Die Habgier entsteht angesichts der Zufriedenheit. Zorn entsteht angesichts der Unzufriedenheit, und die Torheit entsteht aus unreinen Gedanken. Die Habgier ist zwar nicht zu böse, aber man kann sie kaum wegschaffen. Der Zorn ist mehr böse, aber leicht wegzuschaffen. Die Torheit ist am bösesten und ist sehr schwer zu über winden.
Deshalb sollten die Menschen diese Feuer löschen, wann immer und wo immer sie auch erscheinen, indem sie richtig beurteilen im Hinblick auf das, was wahre Zufriedenheit schaffen kann, indem sie streng den Geist kontrollieren, angesichts der unbefriedigenden Dinge des Lebens, und indem sie sich immer Buddhas Lehren des guten Willens und der Freundlichkeit ins Gedächtnis rufen. Wenn der Geist mit weisen, reinen und selbstlosen Gedanken angefüllt ist, wird es keinen Platz geben für irdische Leidenschaften, die Wurzel schlagen könnte.
4. Habgier, Haß und Verblendung sind wie ein Fieber.
Wenn ein Mensch von diesem Fieber befallen wird, wird er leiden und von Schlaflosigkeit gequält werden, auch wenn er in einem komfortablen Zimmer liegt.
Jene, die nicht unter diesem Fieber leiden, können, selbst in einer kalten Winternacht nur mit einer dünnen Blätterschicht bedeckt oder in einer heißen Sommernacht in einem kleinen, geschlossenen Raum ganz friedlich schlafen.
Diese drei Übel - Habgier, Haß und Verblendung sind deshalb die Quellen jedes menschlichen Leidens. Um diese Quellen des Leidens zum Versiegen zu bringen, muß man die Sittenregeln beachten. Man muß die Konzentration des Geistes üben und Weisheit besitzen. Die Beachtung der moralischen Regeln wird die Habgier entfernen, die richtige Konzentration des Geistes wird den Zorn entfernen. Und die Weisheit wird die Torheit entfernen.
5. Menschliches Verlangen ist endlos. Es ist mit dem Durst eines Mannes vergleichbar, der Salzwasser trinkt. Er findet keine Befriedigung und sein Durst wird nur noch größer.
So ist es mit einem Mann, der seine Wünsche zu befriedigen sucht; er wird nur zunehmend unzufrieden und seine Leiden vermehren sich.
Befriedigung von Verlangen führt niemals zu echter Zufriedenheit des Menschen. Sie hinterläßt bei ihm immer Unruhe und Erbitterung, die nie gestillt werden können und wenn die Befriedigung seiner Wünsche vereitelt wird, treibt ihn das oft in den Wahnsinn.
Menschen streiten und kämpfen gegeneinander, um ihre Aggression zu stillen; König gegen König, Vasall gegen Vasall, Eltern gegen ihre Kinder, Bruder gegen Bruder, Schwester gegen Schwester, Freund gegen Freund - sie kämpfen und töten sich sogar gegenseitig, um ihre Wünsche zu befriedigen.
Menschen ruinieren oft ihr Leben bei dem Versuch, ihr Verlangen zu stillen. Sie stehlen, betrügen und begehen Ehebruch, und dann, wenn sie überführt werden, leiden sie unter der Schande und der Strafe.
Sie sündigen gegen ihren eigenen Körper, wobei ihnen bewußt ist, daß die Befriedigung sie schädigen wird. Sie sündigen gegen ihren eigenen Geist, wobei sie ganz genau wissen, daß die Befriedigung ihnen letzten Endes Unglück und Leiden bringen wird. So gebieterisch ist ihr Wunsch. Und es gibt ein Karma: das Leiden in den folgenden Leben und die Todesängste vor dieser anderen Welt.
6. Von allen irdischen Leidenschaften ist die Begierde die stärkste. Alle anderen irdischen Leidenschaften scheinen ihr nachzustehen.
Die Begierde scheint den Boden zu nähren, in dem andere Leidenschaften blühen. Die Begierde ist wie ein weiblicher Dämon, der alle guten Taten der Welt auffrißt. Die Begierde ist eine Viper, die in einem Blumengarten versteckt ist. Sie vergiftet jene, die kommen, um die Schönheit zu suchen. Die Begierde ist eine Weinranke, die einen Baum hochklettert und sich über die Äste aus breitet, bis sie den Baum erwürgt hat. Die Begierde bringt ihre Fangarme unbemerkt in die menschliche Emotion hinein und saugt den guten Sinn des Geistes weg, bis der Geist verdorrt ist. Die Begierde ist, ein Köder, der von der Versuchung ausgeworfen wurde, damit unwissende Menschen danach schnappen und von ihm in die Tiefen der bösen Welt hinuntergezogen werden.
Wenn ein trockener Knochen mit Blut beschmiert ist, wird ein Hund daran nagen, bis er müde und frustriert ist. Die Begierde ist für einen Menschen das, was dieser Knochen für einen Hund bedeutet; es wird ihn danach gelüsten bis er erschöpft ist.
Wenn ein einziges Stück Aas zwei Raubtieren vorgeworfen wird, werden sie darum kämpfen und sich gegenseitig verwunden. Ein Mann,'der törichterweise eine Fackel gegen den Wind trägt, wird sich sicherlich selbst daran verbrennen. Wie diese zwei Raubtiere und dieser törichte Mann, verletzen und verbrennen sich die Menschen ihrer irdischen Verlangen wegen.
7. Es ist leicht, den äußeren Körper vor vergifteten Pfeilen zu schützen, aber es ist unmöglich, den Geist vor vergifteten Wurfspießen zu schützen, die in ihm selbst entstehen. Gier, Haß, Verblendung und die Betörungen des Egoismus - diese vier vergifteten Wurfspieße entstehen im Geiste selbst und stecken ihn mit tödlichem Gift an.
Wenn Menschen von diesen Giften erkrankt sind, werden sie lügen, betrügen, schmeicheln und miß brauchen, und sie werden ihre Worte in die Tat umsetzen, indem sie töten, stehlen und Ehebruch begehen.
Die drei üblen Geisteszustände, die vier üblen Worte und die drei üblen Taten ergeben, zusammengenommen, die zehn großen Übel.
Wenn Menschen die Gewohnheit angenommen haben zu lügen, werden sie unbewußt alle möglichen falschen Taten begehen. Bevor sie böse handeln können, müssen sie lügen, und wenn sie einmal begonnen haben zu lügen, werden sie unbekümmert böse handeln.
Aber da diese zehn Übel alle im Geist entstehen, ist die Unwissenheit die stärkste der irdischen Leidenschaften. Solange die Unwissenheit den Geist ansteckt, wird der Geist unbekümmert fortfahren, seine üblen Zustände in bösen Taten zu offenbaren. Habgier, Wollust, Furcht, Zorn, Egoismus, Mißgeschick, Unglückseligkeit, alle haben ihren Ursprung in der Unwissenheit. So ist die Unwissenheit das größte Gift.
8. Auf das Verlangen folgt die Tat. Auf die Tat folgt das Leiden. Verlangen, Tat und Leiden sind wie ein Rad, das sich endlos dreht.
Das Rollen dieses Rades hat keinen Artfang und kein Ende; wie können die Menschen der Wiedergeburt entrinnen? Gemäß des karmischen Kreislaufs jedes Wesens folgt ein Leben dem anderen in endloser Wiederkehr.
Wenn man die Asche und die Knochen aller eigenen Wiederverkörperungen in diesem karmischen Zyklus auf häufen müßte, würde der Haufen berghoch sein. Wenn man die Milch der Mütter, die ihre Babys gesäugt haben, sammeln müßte, wäre sie tiefer als das Meer.
Obwohl das Buddhawesen allen Menschen eigen ist, ist es so tief in der Befleckung der irdischen Leidenschaft vergraben, daß es lange unentdeckt bleibt. Das ist der Grund, warum das Leiden so allumfassend ist und warum es diese endlose Wiederkehr von Geburt und Tod gibt.
Aber ebenso wie sich schlechte Taten anhäufen, wenn man sich von Gier, Haß und Verblendung leiten läßt, und Wiedergeburt die notwendige Folge davon ist, genauso wird die Befleckung durch das Karma sichtbar werden und die Wiedergeburt in der Welt des Leidens beendet sein, sobald man der Lehre Buddhas folgt.
Il DAS WESEN DES MENSCHEN
1. Das Wesen des Menschen ist wie ein dichtes Dickicht, das keinen Eingang hat und schwer zu durch dringen ist. Im Vergleich dazu ist das Wesen eines Tieres viel leichter zu verstehen. Im allgemeinen läßt sich das Wesen eines Menschen nach vier herausragenden Merk malen klassifizieren.
Erstens gibt es Menschen, die wegen falscher Lehren Strenge walten lassen und sich selbst Leiden zufügen. Zweitens gibt es diejenigen, die anderen Menschen Grausamkeiten antun, sie bestehlen, töten oder auf andere Weise schlecht behandeln und so anderen Leid verursachen . Drittens gibt es Menschen, die andere in ihr eigenes Leiden mit hineinziehen. Viertens gibt es die jenigen, die zwar selbst nicht leiden, aber andere vom Leiden erretten. Weil diese Menschen der letzten Kategorie Buddhas Lehren folgen, geben sie nicht der Gier, Habgier, dem Haß oder der Verblendung nach, sondern leben friedlich, und ihr Leben ist erfüllt von Freundlichkeit und Weisheit, ohne daß sie töten oder stehlen müssen.
2. Es gibt drei Arten von Menschen auf der Welt. Zu der ersten gehören jene Menschen, die wie Buchstaben in Felsen gemeißelt sind: Sie werden leicht zornig und bewahren lange Zeit ihre bösen Gedanken. Zu der zweiten Art gehören jene, die wie Buchstaben in Sand geschrieben sind: Auch sie werden zornig, aber ihre bösen Gedanken verlassen sie auch bald wieder. Zu der dritten Art gehören die Menschen, die wie Buchstaben in fließendes Wasser geschrieben sind. Sie bewahren nicht ihre flüchtigen Gedanken, lassen Beschimpfungen und unangenehme Gerüchte unbemerkt an sich vorüberziehen, wobei ihr Geist immer rein und ungestört ist.
Es gibt noch drei andere Arten von Menschen. Erstens diejenigen, die, unbesonnen handeln, stolz und niemals zufrieden sind; ihr Wesen ist leicht durchschaubar. Zweitens diejenigen, die höflich sind und immer überlegt handeln, ihr Wesen ist schwer verständlich . Drittens gibt es Menschen, die das Verlangen völlig überwunden haben; sie zu verstehen ist unmöglich.
So können die Menschen nach vielen verschiedenen Arten klassifiziert werden, aber ihr Wesen wird kaum verständlich. Nur Buddha kann sie verstehen und sie mit Hilfe seiner Weisheit durch verschiedene Lehren führen.
III DAS LEBEN DES MENSCHEN
l. Es gibt ein Gleichnis, welches das menschliche Leben beschreibt. Es war einmal ein Mann, der ruderte in einem Boot einen Fluß hinunter. Jemand am Ufer warnte ihn: "Hör auf, so fröhlich mit dieser schnellen Strömung zu rudern. Es gibt dort vorn Stromschnellen und einen gefährlichen Strudel, und es liegen Krokodile und Dämonen in felsigen Höhlen auf der Lauer. Du wirst zugrunde gehen, wenn du weiterruderst."
In diesem Gleichnis ist die "schnelle Strömung" mit einem Leben voller Wollust zu vergleichen; "fröhlich rudern" bedeutet, daß man seiner Leidenschaft die Zügel schießen läßt; die "Stromschnellen" stehen für die darauf folgenden Leiden und Schmerzen; "Strudel" ist im Sinne von Vergnügen zu interpretieren und "Krokodile und Dämonen" verweisen auf den Verfall und den Tod, die einem Leben der Begierde und der Zügellosigkeit folgen. "Jemand am Ufer", der die Warnung zuruft, ist Buddha.
Es gibt noch ein anderes Gleichnis. Ein Mann, der ein Verbrechen begangen hat, flüchtet. Als Wachen ihm folgen, versucht er, sich zu verstecken, indem er in einen Brunnen an einigen Weinranken hinabsteigt, die an den Seiten herunterhängen. Während er hinabsteigt, sieht er auf dem Grunde des Brunnens Nattern, deshalb entschließt er sich, sich zur Sicherheit an den Weinranken festzuklammern. Nach einiger Zeit als seine Arme erlahmen , bemerkt er zwei Mäuse, die eine weiß, die andere schwarz, wie sie an dem Weinstock nagen.
Sollte der Weinstock zusammenbrechen, wird er zu den Nattern hinunterfallen und zugrunde gehen. Als er hinaufsieht, bemerkt er plötzlich direkt über seinem Gesicht einen Bienenstock, von dem gelegentlich ein Tropfen Honig herabfällt. Der Mann vergißt nun seine ganze Gefahr und kostet entzückt den Honig.
Ein Mann" bedeutet jene, die geboren werden, um " zu leiden und einsam zu sterben. "Wachen" und "Nattern" verweisen auf den Körper mit all seinen Wünschen. Die "Weinranken" stehen für die Fortdauer des menschlichen Lebens. "Zwei Mäuse, die eine weiß, die andere schwarz" verweisen auf die Dauer der Zeit, Tag und Nacht, und auf die vorübergehenden Jahre. "Honig" dient als Symbol für die Freunden des Daseins, die über das Leiden der vorübergehenden Jahre hinwegtäuschen.
2. Es folgt noch ein weiteres Gleichnis: Ein König setzt vier Nattern in eine Schachtel und gibt sie einem Diener zur Verwahrung. Er befiehlt dem Diener, gut auf die Schlangen aufzupassen und warnt ihn, daß, wenn er auch nur eine von ihnen ärgern würde, er mit dem Tode bestraft werden würde. Aus Furcht entschließt der Diener aber, die Schachtel wegzuwerfen und zu fliehen.
Der König schickt fünf Wächter aus, um den Diener einzufangen. Zuerst nähern sie sich dem Diener auf eine freundliche Weise, in der Absicht, ihn sicher zurückzubringen, aber der traut ihrer Freundlichkeit nicht und flieht in ein anderes Dorf.
Plötzlich spricht in einer Vision eine Stimme zu ihm, daß in dieses Dorf keine sichere Zuflucht sei und es sechs Banditen gäbe, die ihn angreifen würden. Daraufhin läuft der Diener aus Furcht fort, bis er an einen reißenden Fluß kommt, der ihm den Weg versperrt. Angesichts der Gefahren, die auf.ihn lauern, baut er sich ein Floß, und es gelingt ihm, die ungestüme Strömung zu überqueren. An anderen Ufer des Flusses findet er schließlich Sicherheit und Frieden.
Die "vier Nattern in einer Schachtel" sind die vier Elemente - Erde, Wasser, Feuer und Luft - aus denen sich unser Körper zusammensetzt. Der Körper wird dem Gewahrsam der Lust ausgeliefert, und ist damit ein Feind des Geistes. So versucht der Geist, dem Körper zu entfliehen.
Die "fünf Wächter, die sich in freundlicher Weise nähern" sind die fünf Aggregate - Objekt, Wahrnehmung, Vorstellung, Wille und Bewußtsein - , die zusammen den Körper und den Geist bilden.
"Der sichere Schutz" sind die sechs Sinne, die letztlich gar keinen sicheren Schutz bilden, und "die sechs Banditen" sind die sechs Wunschobjekte des mit den sechs Sinnen ausgestalteten Geistes. So läuft der Diener, als er die Gefahren in den sechs Sinnen erkennt, abermals fort und kommt an die wilde Strömung der irdischen Begierden.
Dann baut er sich aus den guten Lehren Buddhas ein Floß und überquert sicher die wilde Strömung.
3. Es gibt drei Situationen voller Gefahren, wo ein Sohn seiner Mutter nicht helfen kann und eine Mutter nicht ihrem Sohn: Eine Feuersbrunst, eine Flut und ein Einbruch. Dennoch besteht selbst bei diesen gefährlichen und traurigen Anlässen noch die Möglichkeit, sich gegenseitig zu helfen.
Aber es gibt noch drei weitere Anlässe, wo es für eine Mutter unmöglich ist, ihren Sohn zu retten, und es für einen Sohn unmöglich ist, seine Mutter zu retten. Diese drei Gelegenheiten sind die Zeit der Krankheit, die Zeit des Alterns und die Stunde des Todes.
Wie kann ein Sohn den Platz seiner Mutter einnehmen , wenn sie alt wird? Wie kann eine Mutter den Platz ihres Sohnes einnehmen, wenn er krank ist? Wie kann einer dem anderen helfen, wenn die Stunde des Todes naht? Es ist unerheblich, wie sehr sie einander lieben mögen oder wie vertraut sie gewesen sind, keiner kann in solchen Situationen dem anderen helfen.
4. Einmal fragte Yama, der legendäre König der Hölle, einen Mann, der wegen seines schlechten Lebenswandels in die Hölle gekommen war, ob er im Laufe seines Lebens jemals die drei himmlischen Boten getroffen habe. Der Mann erwiderte: "Nein, mein Herr, ich habe nie so jemanden getroffen."
Yama fragte ihn, ob er je eine alte Person getroffen habe, die unter dem Alter gebeugt gewesen und an einem Stock gegangen sei. Der Mann erwiderte: "Ja, mein Herr, ich habe solche Leute häufig getroffen." Dann sprach Yama zu ihm: "Du erleidest jetzt diese Strafe, weil du in jenem alten Mann nicht einen himmlischen Boten erkannt hast, der gesandt war, um dich zu ermahnen, schnell deine Lebensweise zu ändern, bevor du selbst ein alter Mann geworden bist."
Yama fragte ihn noch einmal, ob er je einen armen und kranken Mann ohne Freunde gesehen habe. Der Mann erwiderte: "Ja, mein Herr, ich habe viele solche Männer gesehen." Dann sprach Yama zu ihm: "Du bist an diesen Ort gekommen, weil es dir mißlang, in diesen kranken Menschen die Gesandten des Himmels zu sehen, die gesandt waren, um dich vor deiner eigenen Krankheit zu warnen."
Yama fragte ihn erneut, ob er je einen toten Mann gesehen habe. Der Mann erwiderte: "Ja, mein Herr, ich bin viele Male Augenzeuge des Todes gewesen." Yama sprach zu ihm: "Es ist so, weil du in diesen Menschen nicht die himmlischen Gesandten erkannt hast, die geschickt waren, um dich davor zu warnen, daß du hierher gebracht werden würdest. Wenn du diese Gesandten erkannt und ihre Warnungen angenommen hättest, würdest du deine Lebenseinstellung geändert haben, und würdest nicht an diesen Ort des Leidens gekommen sein."
5. Es war einmal eine junge Frau namens Kisagotami, die Gattin eines wohlhabenden Mannes, die wegen des Todes ihres Kindes ihren Verstand verlor. Sie nahm das tote Kind in ihre Arme, ging von Haus zu Haus und bat die Leute, ihr Kind zu heilen.
Natürlich konnten sie nichts für sie tun - aber schließlich riet ihr ein Jünger Buddhas, den Erhabenen aufzusuchen, der sich damals bei Jetavana aufhielt, und so brachte sie das tote Kind zu Buddha.
Der Erwachte sah voller Mitleid auf sie und sagte: "Um das Kind zu heilen, brauche ich einige Mahnsamen. Geh' und bitte in irgendeinem Haus, in das der Tod noch nie eingekehrt ist, um vier oder fünf Mahnsamen."
So ging die wahnsinnige Frau hinaus und suchte ein Haus, in das der Tod noch nie eingekehrt war. Es war jedoch vergeblich. Schließlich mußte sie zu Buddha zurückkehren. In seiner ruhigen Gegenwart hellte sich ihr Geist auf, und sie verstand die Bedeutung seiner Worte. Die Frau trug den Leichnam weg, begrub ihn und kehrte dann zu Buddha zurück und wurde eine seiner Anhängerinnen.
IV DIE WIRKLICHKEIT DES MENSCHLICHEN LEBENS
1. Die Menschen in dieser Welt neigen dazu, selbstsüchtig und ohne Mitgefühl zu sein. Sie wissen nicht, wie sie einander lieben und respektieren sollen. Nur zu ihrem eigenen Schaden und Leid erörtern und streiten sie sich über unbedeutende Dinge, und das Leben wird zu einem düsteren Kreislauf von Unglück.
Ungeachtet dessen, ob sie reich oder arm sind, sorgen sich die Menschen ums Geld. Sie leiden an Armut, und sie leiden an Reichtum. Weil ihr Leben durch Habgier bestimmt wird, sind sie niemals zufrieden.
Ein wohlhabender Mann sorgt sich um sein Gut, wenn er eines hat, er sorgt sich um sein Haus und all seine anderen Besitztümer, er sorgt sich um seine Gesundheit und sein Wohlergehen, er sorgt sich um seine Schätze und ihre Sicherheit. Er macht sich Sorgen, daß ihm ein bestimmtes Unheil widerfahren könne: sein Haus ab brennen, Räuber einbrechen, Banditen ihn entführen könnten. Dann sorgt er sich um den Tod und um die Verfügung über seinen Reichtum. In Wirklichkeit ist sein Leben trostlos, und nach seinem Tod scheint seine Zukunft noch trostloser zu werden.
Ein armer Mann leidet immer an Unzulänglichkeit, und das genügt, um endlose Wünsche nach Land, Haus, Reichtum, Muße und Luxus in, ihm zu wecken. Indem er vor Habgier glüht, nutzt er sowohl seinen Körper als auch seinen Geist ab und wird mitten in seinem Leben vom Tod heimgesucht.
Die ganze Welt scheint ihm nicht gut gesinnt zu sein, und auch der Weg nach dem Tode erscheint ihm einsam, als ob er eine lange Reise zu machen habe und keine Freunde besäße, die ihm dabei Gesellschaft leisten können.
2. Es gibt fünf Übel in der Welt. An erster Stelle steht die Grausamkeit. Jedes Geschöpf, selbst Insekten, kämpfen gegeneinander. Der Starke greift den Schwachen an, der Schwache betrügt den Starken. überall gibt es Kämpfe und Grausamkeit.
Zweitens gibt es keine Abgrenzung zwischen den Rechten eines Vaters und denen eines Sohnes, zwischen einem älteren Bruder und einem jüngeren, zwischen einem Ehemann und einer Ehefrau, zwischen einem älteren Verwandten und einem jüngeren. Bei jeder Gelegenheit wünscht sich jeder, der Größte zu sein und von dem anderen zu profitieren. Sie betrügen einander, und das führt zu Täuschung und Mangel an Aufrichtigkeit.
Drittens gibt es keine Abgrenzung, was das Verhalten zwischen Männern und Frauen betrifft. Jeder hat zu bestimmten Zeiten unreine und lüsterne Gedanken und Wünsche, welche die Menschen zu fragwürdigen Taten und oft zu Auseinandersetzungen, zu Kämpfen, zu Ungerechtigkeit und Boshaftigkeit führen.
Viertens gibt es unter den Menschen die Tendenz, die Rechte der anderen zu mißachten, ihre eigene Bedeutung auf Kosten anderer zu überschätzen, bezüglich des Benehmens schlechte Beispiele abzugeben und, indem sie in ihren Reden ungerecht sind, andere zu betrügen, zu verleumden und zu mißbrauchen.
Fünftens findet man unter den Menschen solche, die ihre Pflichten anderen gegenüber vernachlässigen. Sie denken zu sehr an ihr eigenes Wohlergehen und an ihre eigenen Wünsche. Sie vergessen die Vorteile, die sie erhalten haben und rufen bei den anderen Ärger hervor, was oft in große Ungerechtigkeit ausartet.
3. Weil dies eine Welt des Leidens ist, sollten die Menschen mehr Mitgefühl füreinander haben. Sie sollten einander aufgrund ihrer guten Charakterzüge achten und in ihren Schwierigkeiten helfen. Aber statt dessen sind sie selbstsüchtig und hartherzig; sie verachten einander wegen ihrer Schwächen und mögen andere nicht ihrer Vorteile wegen. Diese Abneigungen werden im allgemeinen mit der Zeit immer schlimmer und bald darauf unerträglich.
Glücklicherweise enden diese Gefühle der Abneigung nicht oft in Gewalttätigkeiten; dennoch vergiften sie das Leben mit Haß und Zorn, die so tief in den Geist einschneiden, daß die Menschen die Narben in den Reinkarnationzyklus mit einbringen.
Wahrhaftig, in dieser Welt der Lust wird der Mensch allein geboren und allein sterben, und es gibt niemanden, der seine Strafe in dem Leben nach dem Tod mit ihm teilt.
Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist allumfassend . Jeder Mensch muß seine eigene Last des Karmas tragen und allein seine Vergeltung empfangen. Aber glücklicherweise kontrolliert dasselbe Gesetz die guten Taten. Ein Leben voller Mitgefühl und Freundlichkeit wird in Glück und Freude enden.
4. Im Laufe der Jahre sehen Menschen, wie stark sie durch Habgier, Gewohnheit und Leiden eingeschränkt werden, und sie werden darüber sehr traurig und entmutigt. Oft streiten sie in ihrer Entmutigung mit an deren und sinken noch tiefer in die karmische Verwicklung herab und geben es dann auf, besser zu sein. Oft geht ihr Leben gerade mitten in ihrer Boshaftigkeit vorzeitig zu Ende und sie müssen für immer leiden.
Dieser Sturz in die Entmutigung, aufgrund von Unglücksfällen und Leiden ist unnatürlich und steht im Gegensatz zum Gesetz des Himmels und der Erde, und die Menschen leiden sowohl im Diesseits als auch im Jenseits.
Es ist wahr, daß alles in diesem Leben vergänglich und mit Unsicherheit angefüllt ist, aber es ist beklagenswert, daß jeder diese Tatsache übersieht und weiter versucht, das Vergnügen und die Befriedigung seiner Wünsche zu suchen.
5. Da es in dieser Welt des Leidens für die Menschen natürlich ist, selbstsüchtig und egoistisch zu denken und zu handeln, so ist es auch ebenso natürlich, daß Leiden und Unglück folgen.
Es ist den Menschen eigen, sich zu begünstigen und andere zu vernachlässigen. Es ist ganz selbstverständlich für sie, daß ihre eigenen Wünsche in Habgier, Wollust und allen Arten von Übel ausarten. Deshalb müssen sie endlos leiden.
Die Zeiten des Luxus dauern nicht lange an, sondern vergehen sehr schnell Nichts auf dieser Welt kann man lange genießen.
6. Deshalb sollten die Menschen, solange sie jung und gesund sind, sich ihrer ganzen Habgier und ihrer Bindung an irdische Reichtümer und Dinge entledigen und statt dessen ernsthaft nach der wahren Erleuchtung streben, denn außer der Erleuchtung kann es kein andauerndes Glück geben.
Jedoch zweifeln die meisten Menschen an diesem Gesetz von Ursache und Wirkung oder kennen es nicht. Sie fahren in ihren Gewohnheiten der Habgier und der Ichbezogenheit fort und vergessen dabei die Tatsache, daß eine gute Tat Glück und eine böse Tat Unglück bringt. Auch glauben sie nicht wirklich daran, daß ihre Handlungen in diesem Leben die folgenden Leben bedingen und Vergeltungen und Strafen für ihre leidvollen Handlungen zur Folge haben werden.
Die Menschen beklagen und beschweren sich über ihre eigenen leiden, da sie die Bedeutung, die ihre augenblicklichen Taten für ihre folgenden Leben haben, und die Beziehung, die ihre Leiden zu den Taten ihrer früheren Leben haben, nicht verstehen. Sie denken nur an den gegenwärtigen Wunsch und an das gegenwärtige Leiden.
Nichts auf der Welt ist beständig oder dauerhaft. Alles ist veränderlich, vorübergehend und unvorhersehbar. Aber die Menschen sind unwissend und selbst süchtig und befassen sich nur mit den Wünschen und Leiden des vorübergehenden Augenblicks. Weder hören sie auf die guten Lehren, noch versuchen sie, diese zu verstehen. Sie geben sich einfach dem gegenwärtigen Interesse hin, und weil sie nicht die Erleuchtung suchen, gibt es kein Ende für ihr Leiden oder für das Leiden anderer.
7. Seit unendlichen Zeiten sind unzählige Menschen in diese Welt der Verblendung und des Leidens hineingebaren worden und werden immer noch geboren. Glücklicherweise besitzt jedoch die Welt die Lehren des Buddha, so daß die Menschen auf sie vertrauen können und ihnen auf diese Weise geholfen werden kann.
Deshalb sollten die Menschen gründlich nachdenken , ihren Geist rein und ihren Körper gesund halten, sollten sich fernhalten von Habgier und Übel und das Gute suchen.
Wir haben glücklicherweise von Buddhas Lehren Kenntnis erhalten. Wir sollten danach streben, auf sie zu bauen und wünschen, in Buddhas Reinem Land wieder geboren zu werden. Da wir Buddhas Lehren kennen, sollten wir anderen nicht auf habgierigen und leidvollen Wegen folgen, noch sollten wir die Lehren Buddhas für uns behalten, sondern sie verwirklichen und an andere weitergeben.